Nikolaus auf dem Overmeyer Hof
In der Nikolausnacht war die weiße Hühnerschar hellwach. Sie waren noch nicht lange in Emmelndorf und hatten von den anderen Tieren viele wundersame Geschichten gehört - von Kätzchen, die Nikolaussocken befüllten, vom Nikolaus selbst, der am Kamin gerne Zimtsterne naschte, und von der Freude, die er den Kindern jedes Jahr bereitete.
Die ganze Woche schon hatten die Hühner überlegt, wie auch sie zu dieser besonderen Nacht beitragen könnten. Schließlich rief eines der Hühner aufgeregt: „Wir könnten unsere wunderschönen weißen Eier bemalen und in die Nikolaussocken legen!“. „Ach du dickes Ei, das wäre zauberhaft!“ rief ein anderes Huhn. Die Herde gackerte begeistert.
Gerade als sie anfingen, die ersten Eier mit Roter Bete zu betupfen, trottete Jonny, der alte Hofhund, zum Hühnerstall. Er hatte die Aufregung bemerkt und wollte nach dem Rechten schauen. „Was treibt ihr hier mitten in der Nacht?“ fragte er gähnend.
Die Hühner erzählten aufgeregt von ihrem Plan. Jonny lauschte geduldig und schüttelte dann schließlich den Kopf. „Eier? In Nikolaussocken? Tja, eine schöne Idee ist es schon, aber bemalte Eier zu Nikolaus? Das ist doch sehr unüblich.“ Die Hühner fielen in betretenes Schweigen und ließen die Schnäbel hängen. Doch Jonny hatte eine Idee: „Na los, lasst eure Schnäbel nicht hängen und folgt mir!“
Unter Jonnys Anleitung machten sich die Hühner an die Arbeit. Sie liefen gackernd durch den Hofladen, sammelten alles ein, was sie finden konnten und stopfen es mit ihren Schnäbeln vorsichtig in die Söckchen. Am Ende füllten sie über 100 Socken und hängten sie im Laden auf.
Um kurz nach Mitternacht kam der Nikolaus schließlich am Hof an. Die Hühner drängten sich aufgeregt an die Glastür des Hofladens und konnten es kaum erwarten, ihn zu begrüßen.
Als der Nikolaus den Laden betrat, blieb er verdutzt stehen. „Was… die Socken sind ja schon fertig?!“ Er zog eine Socke nach der anderen herunter, prüfte sie und murmelte dabei: „Hm, sehr gut… ah ja, interessant… oh, eine Feder, charmant!“
Zufrieden setzte sich der Nikolaus vor den Ofen und knabberte ein paar Zimtsterne. Während der Nikolaus den wärmenden Ofen genoss, bildeten die Hühner vor dem Hofladen ein Spalier, das bis zur Straße reichte. Sie wollte sich alle persönlich vom Nikolaus verabschieden.
Ganze vier Stunden verbrachte der Nikolaus schließlich damit, sich bei jedem einzelnen Huhn zu bedanken. Kurz bevor die Sonne aufging, bedankte er sich beim zweihundertfünfundzwanzigsten Huhn und murmelte schmunzelnd: „Ganz schön verrückt bei den Overmeyers. Das glaubt mir keiner!“
Am nächsten Morgen war es ungewöhnlich still im Hühnerstall. Der Bauer, der sonst von fröhlichem Gegacker begrüßt wurde, fand die Hühner eng aneinander gekuschelt und tief schlafend auf ihren Stangen - fast so, als hätten sie die ganze Nacht kein Auge zugetan. Zwischen den Spelzen entdeckte er etwas Ungewöhnliches: ein Ei, das mit roter Farbe bemalt war. Der Bauer hob es vorsichtig auf und drehte es in seiner Hand.